Beendigung von Arbeitsverträgen
Wenn Sie eine Entlassung von Beschäftigten in Betracht ziehen, sollten Sie die EU-Vorschriften kennen, die den Schutz der Arbeitnehmerrechte, die Nichtdiskriminierung und die faire Behandlung bei Vertragsbeendigung betreffen.
Massenentlassungen
Falls Sie aufgrund wirtschaftlicher Probleme Ihres Unternehmens Entlassungen in Betracht ziehen, sollten Sie über Ihre Pflichten bei Massenentlassungen Bescheid wissen.
Was gilt als Massenentlassung?
Ob eine Entlassung als Massenentlassung gilt, hängt von der Gesamtzahl der Beschäftigten und der Anzahl der gegebenenfalls zu entlassenden Mitarbeiter ab:
Gesamtzahl der Beschäftigten |
Zu entlassende Beschäftigte |
Kündigungsfrist |
---|---|---|
20-100 |
Mindestens 10 |
30 Kalendertage |
100-300 |
Mindestens 10 % |
30 Kalendertage |
300 oder mehr |
Mindestens 30 |
30 Kalendertage |
Warnhinweis
In einigen EU-Ländern gelten strengere Vorschriften zum Schutz der Beschäftigten bei Massenentlassungen, und die oben genannten Schwellenwerte können niedriger liegen.
Beispiel
Schwellenwerte und Entscheidungen: Umgang mit Entlassungen im Rahmen des EU-Rechts
Emily, Eigentümerin eines mittelgroßen Produktionsbetriebs, erkennt, dass sie möglicherweise Personal abbauen muss, um wirtschaftlich überleben zu können. Sie erwägt, 15 ihrer 120 Mitarbeiter zu entlassen. Bevor sie konkrete Maßnahmen ergreift, befasst sie sich mit den EU-Vorschriften über Massenentlassungen. Nach diesen Vorschriften würde jede Entscheidung, die zu einer Entlassung von 10 % oder mehr ihrer Mitarbeiter innerhalb einer Frist von 30 Tagen führt, als Massenentlassung gelten. Sie müsste dann bestimmte rechtliche Verpflichtungen einhalten, wie die Konsultation der Arbeitnehmervertreter und die Information der zuständigen Behörden.
Ihre Pflicht: informieren und konsultieren
Wenn Sie eine Massenentlassung ins Auge fassen, müssen Sie die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig konsultieren und sie schriftlich über Folgendes informieren:
- Gründe für die Massenentlassung
- Anzahl der zu entlassenden Beschäftigten
- Anzahl der Beschäftigten
- Zeitraum, über den die Entlassung erfolgen wird
- Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Beschäftigten
Sie sollten auch Ihre zuständige Behörde schriftlich über oben genannte Punkte informieren.
Wann gilt dies nicht?
Information und Konsultation vor einer Massenentlassung sind nicht verpflichtend im Falle von
- Beschäftigten mit befristeten Verträgen, sofern die Entlassung nicht vor der Beendigung ihres Vertrags erfolgt;
- Bediensteten öffentlicher Verwaltungen.
Bei der Konsultation mit der Arbeitnehmervertretung sollten verschiedene Optionen zur Vermeidung von Massenentlassungen erörtert werden oder, wenn dies nicht möglich ist, zur Reduzierung der Anzahl der betroffenen Beschäftigten. Dabei sollte auch über Sozialmaßnahmen zu Umschulung oder anderweitigem Einsatz der zu entlassenden Beschäftigten verhandelt werden.
Wann werden die Entlassungen wirksam?
Entscheiden Sie nach den Konsultationen mit der Arbeiternehmervertretung, Beschäftigte zu entlassen, müssen Sie die zuständige Behörde in Ihrem Land schriftlich darüber informieren.
Warnhinweis
Diese Pflicht kann gemäß nationalen Rechtsvorschriften entfallen, wenn die Massenentlassung durch die Beendigung Ihrer Geschäftstätigkeiten infolge einer gerichtlichen Entscheidung bedingt ist.
Massenentlassungen können nicht eher als 30 Kalendertage, nachdem Sie Ihre schriftliche Benachrichtigung an die zuständige Behörde versandt haben, erfolgen. Dieser Zeitraum wird benötigt, um nach Lösungen für die durch die Entlassungen entstandenen Probleme zu suchen. In bestimmten Fällen können einzelne EU-Länder diese Frist verkürzen oder auf 60 Tage verlängern.
Unternehmensübernahmen
Bei der Übernahme eines Unternehmens übernehmen Sie auch Pflichten gegenüber den betroffenen Beschäftigten. Während die Mindestanforderungen im EU-Recht festgelegt sind, sehen die Rechtsvorschriften einiger EU-Länder einen darüber hinausgehenden Schutz der Beschäftigten vor.
Kein automatisches Recht auf Entlassungen
Wenn Sie ein Unternehmen ganz oder teilweise übernehmen, gibt Ihnen dies nicht automatisch das Recht, Beschäftigte zu entlassen. Alle Rechte und Pflichten aus den zum Zeitpunkt der Übernahme bestehenden Beschäftigungsverträgen gehen auf Sie über.
Ferner müssen Sie sich an die Bestimmungen bereits bestehender Tarifverträge halten, bis diese gekündigt werden, auslaufen oder ein neuer Tarifvertrag in Kraft tritt. Der Zeitraum, in dem Sie sich an einen bestehenden Tarifvertrag halten müssen, kann in einigen EU-Ländern verkürzt werden. Der Mindestzeitraum beträgt jedoch ein Jahr.
Warnhinweis
Wenn jedoch wirtschaftliche, technische oder organisatorische Gründe Änderungen im Beschäftigungsbereich erfordern, sind Entlassungen möglich.
Beispiel
Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb des vorgegebenen Rahmens: Schutz der Arbeitnehmerrechte
Als Tom mit seinem Unternehmen einen kleinen Produktionsbetrieb übernimmt, stellt er überrascht fest, dass er im Rahmen seiner Umstrukturierungspläne nicht einfach Beschäftigte entlassen kann. Nach den EU-Vorschriften muss er alle bestehenden Beschäftigungsverträge, einschließlich der geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen, einhalten. Anstatt Entlassungen vorzunehmen, muss er alternative Möglichkeiten zur Betriebsoptimierung finden und dabei sicherstellen, dass die Arbeitnehmerrechte während des Übergangs in vollem Umfang eingehalten werden.
Kollektive Rechte nach einer Übernahme
Wenn Sie ein Unternehmen erwerben und dieses als separate, selbstständige Einheit weitergeführt wird, muss die bestehende Arbeitnehmervertretung (z. B. Gewerkschaftsvertreter oder Betriebsratsmitglieder) ihre Aufgaben und Zuständigkeiten behalten. Wird das erworbene Unternehmen so in die Organisation des neuen Eigentümers integriert, dass es seine Selbstständigkeit verliert (z. B. wenn es zu einer größeren Einheit verschmolzen wird und nicht mehr eigenständig tätig ist), müssen die von der Übernahme betroffenen Mitarbeiter weiterhin angemessen vertreten werden, bis die Arbeitnehmervertretung neu gebildet oder neu benannt wurde.
Pflicht: informieren und konsultieren
Die Arbeitnehmervertretung, und in einigen Fällen die Beschäftigten selbst, müssen informiert werden über
- das Datum und den Grund der Übernahme;
- die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Übernahme für die Beschäftigten;
- alle in Bezug auf die Beschäftigten geplanten Maßnahmen.
Außerdem muss die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig zu allen in Bezug auf die Beschäftigten geplanten Maßnahmen konsultiert werden, um zu einer Einigung zu gelangen.
Beispiel
Klare Kommunikation als vertrauensschaffende Maßnahme nach einer Übernahme
Jelena erwirbt mit ihrem Unternehmen ein anderes Unternehmen und beschließt, dessen operative Selbstständigkeit zu wahren. Außerdem achtet sie darauf, dass die Arbeitnehmervertreter ihre Aufgaben und Zuständigkeiten behalten. Im Rahmen des Übergangs informiert Jelenas Unternehmen die Arbeitnehmervertretung über Zeitpunkt und Gründe des Erwerbs und erläutert die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen für die Beschäftigten. Obwohl keine sofortigen Änderungen geplant sind, sagt das Unternehmen zu, die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig zu künftigen Maßnahmen zu konsultieren, die sich auf die Beschäftigten auswirken. Dieser transparente Ansatz trägt dazu bei, Bedenken auszuräumen und das Vertrauen zwischen dem neuen Management und der Belegschaft zu stärken.
Ausnahmen
Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften nichts anderes vorgesehen ist, sind Sie nicht an die Pflichten des vorherigen Arbeitgebers in Bezug auf Leistungen für die Beschäftigten, wie etwa Renten- oder Invaliditätsleistungen, aus betrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen gebunden.
Übernehmen Sie ein in einem Konkurs- oder Insolvenzverfahren unter Aufsicht einer zuständigen Behörde befindliches Unternehmen, um sein Vermögen zu liquidieren, gelten die Vorschriften in Bezug auf die Übernahme von Beschäftigungsverträgen und Tarifverträgen nicht, sofern nach nationalem Recht nichts anderes vorgesehen ist.
Warnhinweis
Ist ein Arbeitgeber zahlungsunfähig, so wird durch die EU-Vorschriften sichergestellt, dass die offenen Forderungen der Beschäftigten, einschließlich Arbeitsentgelte und Abfindungen, geschützt werden. Alle EU-Länder müssen Garantieeinrichtungen zur Deckung dieser Forderungen einrichten.Beendigung von befristeten Verträgen oder Zeitverträgen
Sie sind gesetzlich verpflichtet, befristet beschäftigte Arbeitnehmer über unbefristete Stellen zu informieren und dafür zu sorgen, dass das Ende eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses fair gehandhabt wird, gegebenenfalls mit angemessener Benachrichtigung und Abfindung.
Beispiel
Von ungewissen zu klaren Verhältnissen: Elenas Erfahrung mit befristeten Arbeitsverträgen
Elenas dritter befristeter Vertrag neigt sich dem Ende entgegen. Die Frage der Arbeitsplatzsicherheit bereitet ihr zunehmend Sorgen. Das Unternehmen informiert Elena über eine offene unbefristete Stelle in der Marketingabteilung und versichert ihr, dass sie im Falle einer Nichtverlängerung ihres Vertrags rechtzeitig benachrichtigt wird und die im nationalen Recht vorgesehene Abfindung erhält.
Nichtdiskriminierung bei Entlassungen
Die EU-Vorschriften verbieten Diskriminierung in sämtlichen Bereichen der Beschäftigung – das gilt auch für Entlassungen
aus Gründen
- des Geschlechts,
- der ethnischen Herkunft,
- der Religion oder der Weltanschauung,
- des Alters,
- einer Behinderung
- oder der sexuellen Ausrichtung.
So können Sie einen Beschäftigten nicht aus Gründen einer Behinderung entlassen, ohne vorher angemessene Vorkehrungen zu prüfen. Die EU-Vorschriften sehen zudem einen starken Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder Beschäftigte, die sich im Mutter- oder Elternurlaub befinden, vor. Sie können solche Beschäftigte nicht entlassen, außer in Ausnahmefällen, die nicht mit ihrem Zustand zusammenhängen, und Sie müssen eine schriftliche Begründung vorlegen, wenn eine Entlassung erfolgt.
Wo immer die EU-Vorschriften Anwendung finden, schützt das Diskriminierungsverbot alle. Das gilt sowohl für den öffentlichen und den privaten Sektor als auch für Behörden.
Besteht im Zusammenhang mit Entlassungen der Verdacht einer Diskriminierung, so liegt die Beweislast in erster Linie beim Arbeitgeber. Machen also Beschäftigte geltend, dass sie aufgrund einer Diskriminierung, die sich auf ein Schutzmerkmal stützt, entlassen wurden, und können sie Tatsachen nachweisen, die eine Diskriminierung vermuten lassen, so obliegt es Ihnen, nachzuweisen, dass die Kündigung auf anderen berechtigten Gründen beruhte.
Als Arbeitgeber dürfen Sie Beschäftigte nicht entlassen oder ungerecht behandeln, wenn diese am Arbeitsplatz Beschwerde einlegen oder rechtliche Schritte zur Wahrung der Gleichbehandlung einleiten.
Datenschutz bei Beendigung von Arbeitsverträgen
Bei der Entlassung von Beschäftigten müssen Sie die erhobenen und verarbeiteten Daten auf das für das Entlassungsverfahren erforderliche Maß beschränken. Während des gesamten Verfahrens müssen Sie die Vertraulichkeit und Sicherheit der personenbezogenen Daten der Beschäftigten wahren. Dazu gehört auch, den Datenzugang auf diejenigen zu beschränken, die am Entscheidungsprozess beteiligt sind, und alle einschlägigen Dokumente sicher zu verwahren.
Sie müssen die betreffenden Beschäftigten darüber informieren, wie ihre Daten verwendet werden, und ihnen auf Anfrage Zugang zu ihren personenbezogenen Daten gewähren. Nach der Entlassung sollten Sie die Daten nur so lange aufbewahren, wie gesetzlich vorgeschrieben, und sicherstellen, dass sie sicher gelöscht werden, sobald sie nicht mehr benötigt werden.
Warnhinweis
In den meisten EU-Ländern sind Sie dazu verpflichtet, Sozialversicherungsträger, Steuerbehörden oder Arbeitsagenturen über die Beendigung eines Beschäftigungsvertrags in Kenntnis zu setzen. Dies trägt dazu bei, die Sozialversicherungsdaten der betroffenen Beschäftigten aktuell zu halten, die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge einzustellen und die Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu verwalten.Nachstehend finden Sie länderspezifische Informationen.