MEMO/07/389
Brüssel, den 1. Oktober 2007
Kartellrecht:
Kommission eröffnet förmliches Verfahren gegen Qualcomm einer
marktbeherrschenden Stellung
Die Europäische Kommission hat beschlossen,
gegen den US-amerikanischen Chiphersteller Qualcomm Incorporated ein
förmliches Kartellverfahren einzuleiten, weil er möglicherweise gegen
Artikel 82 EG-Vertrag (missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden
Stellung) verstoßen hat. Qualcomm ist Inhaber der geistigen Eigentumsrechte
an den CDMA- und WCDMA-Mobilfunkstandards. Der WCDMA-Standard ist Teil des
3G-Standards für die europäische Mobilfunktechnologie (besser bekannt
als „UMTS“). Das Verfahren wurde infolge von Beschwerden der
Mobiltelefon- bzw. Chiphersteller Ericsson, Nokia, Texas Instruments, Broadcom,
NEC und Panasonic bei der Kommission eingeleitet. Die Unternehmen behaupten,
Qualcomm halte sich bei der Lizenzvergabe nicht an den FRAND-Grundsatz
(Lizenzvergabe zu fairen, vernünftigen und nicht diskriminierenden
Bedingungen) und verstoße damit womöglich gegen die
EG-Wettbewerbsvorschriften.
Die Einleitung des Verfahrens bedeutet nicht, dass der Kommission Beweise
für einen Verstoß vorliegen, sondern nur, dass sie diese Sache als
vorrangig betrachtet und eingehend untersuchen wird.
Für den Abschluss von Kartellverfahren gibt es keine feste Frist. Ihre
Dauer hängt von mehreren Faktoren wie der Komplexität des jeweiligen
Falles, der Kooperation der betroffenen Unternehmen und der Ausübung der
Verteidigungsrechte ab.
Hintergründe der Entscheidung über die
Verfahrenseinleitung
Der angebliche Verstoß betrifft Qualcomms Lizenzbedingungen für
seine WCDMA-Patente. Von zentraler Bedeutung bei der Untersuchung wird die Frage
sein, ob Qualcomm marktbeherrschend ist und ob die von Qualcomm auferlegten
Lizenzbedingungen und -gebühren tatsächlich, wie von den
Beschwerdeführern behauptet, nicht fair und vernünftig sind und
einzelne Lizenznehmer benachteiligen. Im Standardisierungskontext ist es
für die Feststellung, ob Qualcomm auf dem WCDMA-Lizenzmarkt seine
marktbeherrschende Stellung missbraucht und damit gegen Artikel 82 EG-Vertrag
verstoßen hat, von entscheidendem Belang, ob die von Qualcomm auferlegten
Lizenzkonditionen mit der FRAND-Selbstverpflichtung des Unternehmens in Einklang
stehen oder nicht.
Die Beschwerden beruhen auf dem Verständnis, dass der
FRAND-Verpflichtung zu Grunde liegende wirtschaftliche Prinzip besagt, dass
Inhaber grundlegender Patente nicht in der Lage sein sollen, die
zusätzliche Marktmacht, die ihnen durch den Besitz der patentierten
Technologie zufällt, auszunutzen.
Die Beschwerdeführer behaupten außerdem, dem FRAND-Grundsatz
zuwiderlaufende Lizenzgebühren könnten zu höheren Endpreisen
für Mobiltelefone führen, die Weiterentwicklung des 3G-Standards
verlangsamen und sich wegen des gebremsten Wachstums des Standards negativ auf
die wirtschaftliche Effizienz auswirken. Im Übrigen könne ein solches
Verhalten generell den Standardisierungsprozess und die Einführung des
künftigen 4G-Standards beeinträchtigen.
Auf welcher Rechtsgrundlage beruht diese Entscheidung?
Die Rechtsgrundlage für diesen Verfahrensschritt ist Artikel 2 Absatz 1
der Kommissionsverordnung Nr. 773/2004.
Gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 773/2004 kann die Kommission
jederzeit die Einleitung eines Verfahrens zum Erlass einer Entscheidung
gemäß den Artikeln 7 bis 10 der Verordnung Nr. 1/2003
beschließen, der Beschluss muss jedoch spätestens bei Übersendung
der Mitteilung der Beschwerdepunkte oder einer vorläufigen Beurteilung
ergehen. Im vorliegenden Fall hat die Kommission das Verfahren bereits vorher
eingeleitet.
Die Kommission kann die Einleitung des Verfahrens in jeglicher geeigneten
Weise bekannt machen. Sie setzt zuvor die Parteien davon in Kenntnis. Die
Verteidigungsrechte der Unternehmen werden uneingeschränkt gewahrt.
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