IP/08/685
Brüssel, 6. Mai 2008
Öffentliches Auftragswesen:
Vertragsverletzungs-verfahren gegen Italien wegen Vergabe öffentlicher
Aufträge durch die Stadt Rocca Priora
Die Europäische Kommission hat beschlossen,
Italien formell zu einer Stellungnahme hinsichtlich der Auftragsvergabe für
Dienstleistungen im Bereich Abfallwirtschaft und Apothekenbetrieb durch die
Stadt Rocca Priora aufzufordern. Diese förmliche Mitteilung ergeht in Form
einer „mit Gründen versehenen Stellungnahme“, der zweiten Stufe
des Vertragsverletzungs-verfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag. Erhält
die Kommission binnen zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort, kann sie
den Europäischen Gerichtshof anrufen.
Dieser Fall betrifft die direkte Vergabe von Dienstleistungen im Bereich
Abfallwirtschaft und Apothekenbetrieb durch die Stadtverwaltung Rocca Priora
(Region Latium) an Azienda Servizi Pubblici S.p.A., eine im öffentlichen
Eigentum stehende Aktiengesellschaft, an deren Kapital die Stadt Rocca Priora
mit 0,038 % beteiligt ist.
Italien vertritt die Ansicht, dass die Vergabe dieser
Dienstleistungsaufträge an Azienda Servizi Pubblici S.p.A. durch die
Stadtverwaltung Rocca Priora nicht unter die EU-Vergabevorschriften fällt,
da es sich bei Azienda Servizi Pubblici S.p.A. um ein diensteigenes Unternehmen
der Vergabestelle im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
handelt.
Die Kommission ist hingegen der Ansicht, dass die erste Voraussetzung, die
nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
die Anwendung der „In-House“-Ausnahme erforderlich ist, in diesem
Fall nicht erfüllt ist. Erstens ist der Anteil von 0,038 % zu klein,
als dass die Stadtverwaltung Rocca Priora über Azienda Servizi Pubblici
S.p.A. eine solche Kontrolle ausüben könnte, die mit der Kontrolle
über ihre eigenen Bereiche vergleichbar ist. Zweitens ist Azienda Servizi
Pubblici S.p.A. zumindest teilweise auch für privates Kapital offen,
weshalb das Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durch
die Kommunen, die an dem Unternehmen beteiligt sind, nicht als
„In-House“-Struktur betrachtet werden kann.
Aktuelle Informationen über Vertragsverletzungsverfahren gegen die
Mitgliedstaaten unter:
http://ec.europa.eu/community_law/index_en.htm
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