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Integrierter Grenzschutz an den Außengrenzen

Die Union schlägt einheitliche Arbeitsmethoden vor, um den mit den Kontrollen an den Außengrenzen befassten Vollzugsbeamten die Koordinierung ihrer Maßnahmen ermöglichen mit dem Ziel, einen kohärenten Rahmen für ein mittel- und langfristig gemeinsames Vorgehen zur Verwirklichung eines integrierten Grenzschutzes an den Außengrenzen zu schaffen.

RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - „Auf dem Weg zu einem integrierten Grenzschutz an den Außengrenzen der EU-Mitgliedstaaten" .

ZUSAMMENFASSUNG

Unter Punkt 42 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Laeken (14./15. Dezember 2001) haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, für effizientere Kontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union Sorge zu tragen, um Terrorismus, Schleuserkriminalität und Menschenhandel wirksam zu bekämpfen. Mit dem Problem der Kontrollen an den Außengrenzen hatte sich bereits eine Mitteilung der Kommission über eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet der illegalen Einwanderung befasst. In der Mitteilung „Auf dem Weg zu einem integrierten Grenzschutz an den Außengrenzen der EU-Mitgliedstaaten" schlägt die Kommission vor, eine gemeinsame Politik auf diesem Gebiet zu entwickeln, die der „inneren Sicherheit des gemeinsamen Raums ohne Binnengrenzen" dient. Über die Bekämpfung der illegalen Einwanderung hinaus wird in dieser Mitteilung erstmals eine Definition der „Sicherheit der Außengrenzen" im umfassendsten Sinne (ausgenommen militärische Verteidigung) vorgeschlagen. Die Mitteilung fordert die Mitgliedstaaten daher auf, im Sinne von Artikel 29 des Vertrags über die Europäische Union bei den Außengrenzen auch den Aspekten Kriminalität, Terrorismus, Menschenhandel, Straftaten gegenüber Kindern, Waffenhandel, Bestechung und Bestechlichkeit sowie Betrug Beachtung zu schenken.

Die Sicherheit der Außengrenzen stellt angesichts des Ziels, den freien Personen- und Warenverkehr zu fördern, eine erhebliche Herausforderung dar. Darüber hinaus werden in Kürze die Beitrittsländer für die Sicherheit der künftigen Außengrenzen der Union verantwortlich sein, deren Schutz für die Entwicklung der Beziehungen zu den künftigen Nachbarstaaten Weißrussland und Ukraine von zentraler Bedeutung sein wird.

Die Mitteilung verfolgt das Ziel, nach der Bestandsaufnahme des Besitzstands und der bisherigen operativen Praxis die Bedürfnisse der Union auf diesem Gebiet zu bestimmen. Auf Grundlage dieser Analyse unterbreitet die Kommission im letzten Teil verschiedene Vorschläge zur Entwicklung einer gemeinsamen Politik für den Grenzschutz an den Außengrenzen.

I. Analyse des gemeinschaftlichen Besitzstands auf dem Gebiet des Überschreitens der Außengrenzen

Seit 1995 regelt das Schengener Durchführungsübereinkommen die Kontrolle der Außengrenzen; genauere Durchführungsbestimmungen finden sich im Gemeinsamen Handbuch für die Außengrenzen [Amtsblatt L 239 vom 22.9.2002].

Das Schengener Durchführungsübereinkommen enthält u. a. die allgemeinen Bestimmungen betreffend die Einreise für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten, die Pflichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Grenzkontrolle, die Verantwortlichkeit der Beförderungsunternehmer und das Schengener Informationssystem (SIS). Die Überwachung der ordnungsgemäßen und einheitlichen Anwendung dieser Vorschriften obliegt dem „Ständigen Schengener Bewertungs- und Anwendungsausschuss", der durch Beschluss des Schengener Exekutivausschusses eingerichtet wurde (Beschluss SCH/Com-ex 98) 26, veröffentlicht im Amtsblatt L 239 vom 22.09.2000) und inzwischen als Arbeitsgruppe des Rates tätig ist.

Das Schengener Durchführungsübereinkommen lässt den Mitgliedstaaten freie Wahl hinsichtlich der Organe, denen sie die Kontrolle der Außengrenzen übertragen. Dies hat zur Folge, dass in manchen Mitgliedstaaten ein einziges Organ zuständig ist, während in anderen Mitgliedstaaten mehrere, verschiedenen Ministerien unterstellte Einrichtungen für die Grenzkontrolle verantwortlich sind. Hinzu kommt die Aufgabenvielfalt und die ungleiche Verteilung der Verantwortlichkeiten, so dass es sich als überaus schwierig erweist, einer Stelle in einem Mitgliedstaat ein genaues Pendant in einem anderen Mitgliedstaat zuzuordnen (Strafverfolgungs-, Vorbeugungs- oder Ermittlungsbefugnisse sind in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich).

Schließlich belastet der finanzielle Aufwand für die Kontrolle der Außengrenzen, die mit beträchtlichen Personal- und Ausstattungskosten verbunden ist, aus geografischen Gründen den Haushalt einiger Mitgliedstaaten besonders stark. Aus diesem Grund stellt die Europäische Union den betroffenen Mitgliedstaaten im Rahmen der Programme PHARE und CARDS und der Gemeinschaftsinitiative INTERREG Unterstützung zur Verfügung.

II. Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Politik zum Schutz der Außengrenzen

Da die Rechtsvorschriften für die Kontrolle der Grenzen annähernd vollständig sind, besteht die Herausforderung nun vor allem darin, die Tätigkeit der zuständigen einzelstaatlichen Dienste zu koordinieren. Die denkbaren Maßnahmen können kurzfristig (binnen Jahresfrist) oder auch mittelfristig (vor Anwendung des Schengen-Besitzstands durch die Beitrittsländer) entwickelt werden und betreffen folgende Aspekte:

  • gemeinsamer Bestand an Rechtsvorschriften („Corpus Juris");
  • gemeinsamer Mechanismus für Absprachen und operative Zusammenarbeit;
  • gemeinsame integrierte Risikobewertung;
  • interoperative Ausstattung und entsprechend geschultes Personal;
  • Aufteilung der finanziellen Belastungen zwischen den Mitgliedstaaten der Union.

Gemeinsamer Bestand an Rechtsvorschriften

Die Kommission spricht sich für eine tatsächliche „Inspektion der Außengrenzen" aus. Zu diesem Zweck müssen die entsprechende Rechtsgrundlage und die Modalitäten der finanziellen Unterstützung festgelegt werden.

Im Hinblick auf den gemeinsamen Rechtsbestand werden kurz- und mittelfristig weitere Maßnahmen erforderlich sein:

  • Neufassung des Gemeinsamen Handbuchs für die Außengrenzen, u. a. verbunden mit der Übernahme bestimmter „bewährter Verfahren" aus dem „EU-Schengen-Katalog". Dieses Dokument, das am 28. Februar 2002 vom Rat „Justiz und Inneres" angenommen und vom Generalsekretariat des Rates veröffentlicht wurde, enthält sowohl Empfehlungen als auch bewährte Praktiken für die Kontrollen an den Außengrenzen, Abschiebung und Rückübernahme;
  • Erstellung eines Leitfadens für die Praxis, den die Grenzschutzbeamten jederzeit in ihrer täglichen Arbeit zu Rate ziehen können;
  • falls ein Europäisches Grenzschutzkorps geschaffen wird, Festlegung des rechtlichen Rahmens für dessen Tätigkeit und geografische Abgrenzung des Bereichs, in dem es befugt ist, seine Aufgaben wahrzunehmen.

Abstimmungs- und Kooperationsmechanismus

Auf dem Gebiet der Zusammenarbeit wird eine „gemeinsame Instanz von Praktikern für die Außengrenzen" mit der Risikobewertung, der Koordinierung der Maßnahmen vor Ort und der Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für die Koordinierung der einzelstaatlichen Politiken beauftragt, der in Krisensituationen auch eine Inspektionsbefugnis übertragen werden könnte. In diesem Zusammenhang betont die Kommission, dass all diese Aktivitäten zu einer besseren Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften beitragen dürften, ohne dass weitere neue Rechtsvorschriften vorgeschlagen werden müssen. Diese gemeinsame Instanz hat während des dänischen EU-Ratsvorsitzes als „Scifa +" Gestalt angenommen.

Darüber hinaus beabsichtigt die Kommission die Schaffung eines Sicherheitsverfahrens (PROSECUR), das vornehmlich eine ständige Weiterverfolgung von Informationen zwischen den für die Kontrolle der Außengrenzen zuständigen Stellen ermöglichen soll. Um seine Aufgaben wirksam erfüllen zu können, wird PROSECUR auf anderen, bereits vorhandenen Systemen wie z. B. dem SIS (Schengener Informationssystem) aufbauen.

Gemeinsame integrierte Risikobewertung

Eine kohärente und vollständige Analyse der Risiken im Zusammenhang mit der Sicherheit der Außengrenzen erfordert vor allem die Festlegung gemeinsamer Indikatoren. Eine anschließende kontinuierliche Beobachtung dieser Indikatoren wird den zuständigen Instanzen ein wirksames Vorgehen vor Ort ermöglichen. Durch die Analyse sollen zum einen die Risiken ermittelt werden, die die Außengrenzen direkt betreffen, zum anderen diejenigen, die in den Drittländern entstehen. Nach Ansicht der Kommission ist die gemeinsame Instanz von Praktikern für die Außengrenzen aufgrund ihrer pluridisziplinären Zusammensetzung am besten für die Durchführung dieser Analyse geeignet.

Personal und interoperative Ausstattung

Langfristig ist die Einrichtung eines „Europakollegs für Grenzschutz" nicht ausgeschlossen. Gleichwohl können kurz- und mittelfristig andere Maßnahmen ergriffen werden, um eine gemeinsame Aus- und Fortbildung des mit der Kontrolle der Außengrenzen betrauten Personals zu gewährleisten. Zu diesem Zweck sind insbesondere Fortbildungsveranstaltungen, Sprachlehrgänge oder Praktika beim Grenzschutz eines anderen Mitgliedstaats vorzusehen.

Ein weiterer Beitrag zu einer wirksamen Zusammenarbeit ist eine moderne Ausstattung. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, auf dem Gebiet der ortsgebundenen und der mobilen Infrastruktur (Schnellboote, Hubschrauber, Patrouillen) eine gemeinsame Politik zu entwickeln, insbesondere durch Nutzung von Instrumenten der Hochtechnologie wie dem System GALILEO. Es gilt nicht nur, die Kompatibilität der Ausrüstungen zu gewährleisten, sondern auch ihre geografische Mobilität, da sich die Kontrolle an den Außengrenzen für manche Mitgliedstaaten aufgrund ihrer geografischen Lage (z. B. lange Meeresküsten) schwieriger gestaltet als für andere.

Finanzausgleich und gemeinsame Verantwortlichkeit für die operativen Kräfte

Wie oben dargelegt, hat die geografische Lage der Mitgliedstaaten eine unausgewogene Verteilung der mit der Kontrolle an den Außengrenzen verbundenen finanziellen Belastungen zur Folge. Daher schlägt die Kommission vor, der Union die Verteilung der Lasten zu ermöglichen. Gleichwohl weist die Kommission darauf hin, dass ein Finanzausgleich keinesfalls bedeutet, dass sämtliche Ausgaben aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert werden. Die Gemeinschaftsmaßnahmen werden allein ergänzenden Charakter haben, Hauptfinanzquellen bleiben die nationalen Haushalte. Derzeit ist eine Maßnahme im Rahmen des Programms ARGO zur Finanzierung der gemeinsamen Aus- und Fortbildung des mit der Grenzkontrolle beauftragten Personals vorgesehen.

Die Schaffung eines europäischen Grenzschutzkorps unter der operativen Führung der gemeinsamen Instanz von Praktikern könnte sich zu gegebener Zeit als effiziente Lösung erweisen, um die nationalen Dienste in ihrer Arbeit zu unterstützen. Selbstverständlich müssen die Befugnisse dieses neuen gemeinsamen Korps aus Gründen der Rechtssicherheit in Rechtsakten festgelegt werden. Nach Einschätzung der Kommission lassen sich jedoch schon jetzt bestimmte Aufgaben ermitteln, die ein echtes europäisches Grenzschutzkorps übernehmen sollte:

  • Übernahme der Überwachung an den Außengrenzen und langfristig der Kontrolle an den Grenzübergangsstellen;
  • Ausübung der öffentlichen Gewalt in dem Umfang, der für die Wahrnehmung der Aufgaben zur Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen erforderlich ist. In diesem Zusammenhang stellt sich ein verfassungsrechtliches Problem, da ein Bediensteter des europäischen Grenzschutzkorps auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, zur Ausübung der öffentlichen Gewalt ermächtigt wird;
  • Wahrung der Befugnisse der nationalen Behörden für Bereiche, die nicht unter Titel IV (Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr) oder Titel X (Zusammenarbeit im Zollwesen) EG-Vertrag fallen.

In der Praxis sollte das gemeinsame Grenzschutzkorps u. a. folgende Aufgaben erfüllen: Ausweiskontrolle, Befragung der Ausländer über ihre Aufenthaltsgründe und Betreten von Schiffen, die sich in den Hoheitsgewässern eines Mitgliedstaats befinden.

Bezug

Rechtsakt

Datum des Inkrafttretens

Termin für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten

Amtsblatt

KOM(2002) 233 endgültig

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VERWANDTE RECHTSAKTE

Vorschlag vom 11. November 2003 für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen [KOM(2003) 687 - nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

Um die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen zu stärken, empfiehlt der Vorschlag die Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen. Die neue Agentur soll ebenfalls die Anwendung bestehender und künftiger Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Schutzes der EU-Außengrenzen erleichtern.

Konsultationsverfahren (CNS/2003/0273).

Mitteilung der Kommission vom 3. Juni 2003 an das Europäische Parlament und den Rat im Hinblick auf den Europäischen Rat in Thessaloniki über die Entwicklung einer gemeinsamen Politik in den Bereichen Illegale Einwanderung, Schleuserkriminalität und Menschenhandel, Außengrenzen und Rückführung illegal aufhältiger Personen [KOM(2003) 323 - nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

Plan für den Grenzschutz an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, am 13. Juni 2002 vom Rat "Justiz und Inneres" angenommen.

Entscheidung 2002/463/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über ein Aktionsprogramm für Verwaltungszusammenarbeit in den Bereichen Außengrenzen, Visa, Asyl und Einwanderung (ARGO-Programm).

Plan zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung, vom Rat „Justiz und Inneres" am 28. Februar 2002 angenommen.

Letzte Änderung: 25.06.2004

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