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Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes

Zur Verstärkung der auf europäischer Ebene bestehenden Zusammenarbeit und zur Annahme einer gemeinsamen politischen Vorstellung vom Sozialschutz in der Europäischen Union (EU) legt die Kommission eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes vor, die die Mitgliedstaaten bei ihren diesbezüglichen Aufgaben unterstützen soll.

RECHTSAKT

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes [KOM(2001) 362 endg. - nicht im Amtsblatt veröffentlicht].

ZUSAMMENFASSUNG

Sozialschutzsysteme verschaffen den Menschen ein Einkommen für Notzeiten und sie versetzen sie in die Lage, sich dem wirtschaftlichen und sozialen Wandel anzupassen. Somit fördern sie sozialen Zusammenhalt und wirtschaftliche Dynamik gleichermaßen.

Für den Sozialschutz werden 28,5 % des BIP der Gemeinschaft aufgewendet, und davon wiederum der größte Teil (63 %) für Renten und Gesundheitsversorgung. Ihre Rolle bei der Einkommensverteilung hat gewaltige Ausmaße angenommen: Ohne Sozialtransferleistungen würden fast 40 % der Haushalte in relativer Armut leben; dank der Steuer- und Sozialleistungssysteme liegt diese Zahl jedoch nur bei 17 %.

Die Sozialschutzsysteme der Mitgliedstaaten stehen einer Reihe von bedeutenden gemeinsamen Herausforderungen gegenüber. Sie müssen der sich verändernden Arbeitswelt, neuen Familienstrukturen und dem großen demographischen Wandel der bevorstehenden Jahrzehnte angepasst werden. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, stellt man auf EU-Ebene Überlegungen an, die auf drei Unterlagen beruhen:

  • der Empfehlung 92/442/EWG des Rates vom 27. Juli 1992 über die Annäherung der Ziele und der Politiken im Bereich des sozialen Schutzes;
  • der Mitteilung der Kommission vom 31. Oktober 1995 über „Die Zukunft des Sozialschutzes - ein Rahmen für eine europäische Debatte";
  • der Mitteilung der Kommission vom 12. März 1997 über die Modernisierung und Verbesserung des Sozialschutzes in der Europäischen Union.

Unter niederländischer, luxemburgischer, britischer und österreichischer Präsidentschaft wurden wichtige Konferenzen veranstaltet, auf denen diese Frage behandelt wurde. Auch die europäischen Organe und die Bürgergesellschaft stimmten der Auffassung zu, dass zur Aufrechterhaltung und Stärkung des Sozialschutzes Reformen notwendig sind.

Es wurde somit schließlich anerkannt, dass leistungsfähige Sozialschutzsysteme ein wesentlicher Bestandteil des europäischen Sozialmodells sind. Sozialschutzsysteme schaffen nicht nur ein Sicherheitsnetz für Arme. Sie können die Anpassungsfähigkeit im Arbeitsmarkt fördern und tragen dazu bei, die Wirtschaftsleistung zu steigern. Der Sozialschutz hat also eine produktive Wirkung.

Die EU hat auch bedeutsame Veränderungen durchlaufen, wie:

  • die Vollendung des Binnenmarktes und die Einführung einer einheitlichen Währung;
  • die Ratifizierung des Vertrages von Amsterdam, insbesondere der neue Titel über Beschäftigung und die neue Rechtsgrundlage für die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung;
  • die Erweiterung um die mittel- und osteuropäischen Länder, Malta und Zypern.

Das Europäische Parlament hat die Kommission im März 1999 aufgefordert, „einen Prozess der freiwilligen Abstimmung der Ziele und Politiken im Bereich des sozialen Schutzes nach Vorbild der europäischen Beschäftigungsstrategie in Gang zu setzen". In der Mitteilung schlägt die Kommission daher eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes vor. Die vorgeschlagene Strategie beruht auf dem Austausch von Erfahrungen, politischen Diskussionen und der Beobachtung der aktuellen politischen Entwicklungen, um die besten Lösungsmodelle herauszuarbeiten. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten zur Umsetzung folgender Zielvorgaben auf:

Dafür sorgen, dass Arbeit sich lohnt und Einkommen gesichert sind

Die Bedingungen des heutigen Arbeitsmarkts unterscheiden sich ganz wesentlich von denen, die vorherrschten, als die Mitgliedstaaten ihre Sozialschutzsysteme einrichteten (zahlreiche Arbeitslose, von denen viele Jugendliche, Frauen und Langzeitarbeitslose sind, Berufspausen, veränderte Haushaltsstrukturen, das Auftauchen neuer Arbeitsformen usw.). Die Sozialschutzsysteme müssen nunmehr Arbeitnehmern und Stellensuchenden aktive Hilfe bieten, insbesondere durch Förderung der Beschäftigungs- und Anpassungsfähigkeit, und müssen starke Anreize schaffen, einer Arbeit nachzugehen, und dafür sorgen, dass Arbeit sich lohnt. Dies kann verwirklicht werden durch folgende Maßnahmen:

  • Steuersysteme, bei denen es sich lohnt, eine Arbeit aufzunehmen;
  • Sozialschutzsysteme müssen dem Aufkommen neuerer Arbeitsformen (Zeit- und Teilzeitarbeit, selbständige unternehmerische Tätigkeit) Rechnung tragen und diese fördern;
  • Sozialschutzsysteme sollen das zur Überbrückung von Zeiten der Arbeitslosigkeit notwendige Einkommen sichern und aktive Hilfestellung geben, damit ein Absinken in die Langzeitarbeitslosigkeit vermieden wird.
  • der soziale Schutz soll dazu beitragen, dass sich Arbeit und Familie besser miteinander vereinbaren lassen;
  • Methoden zur Finanzierung des Sozialschutzes müssen entwickelt werden, die der Notwendigkeit Rechnung tragen, die Systeme mit den zur Erreichung ihrer Ziele erforderlichen Mitteln auszustatten, die sich nicht negativ auf die Beschäftigung auswirken und die die Haushaltsdisziplin respektieren.

Die Renten sicher und die Rentensysteme langfristig finanzierbar machen

Das Hauptziel muss sein, für sicher finanzierte und angemessene Renten zu sorgen. Eine Möglichkeit wäre die Suche nach einer angemessenen Balance zwischen kapitalgedeckten und umlagefinanzierten Systemen. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass

  • den Auswirkungen der Überalterung der Bevölkerung auf die Sozialschutzsysteme rechtzeitig begegnet werden muss;
  • die Rentensysteme so gestaltet und reformiert werden müssen, dass sie keine Anreize für ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt bieten, dass sie Flexibilität bei der Verrentung ermutigen und eine aktive Teilnahme älterer Menschen am Leben der Gemeinschaft fördern;
  • dem Problem der Armut älterer Frauen Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, das auf einer niedrigen Erwerbsquote und Veränderungen der Haushaltsstrukturen beruht.
  • ein aktives Älterwerden gefördert wird.

Die soziale Eingliederung fördern

Dem Sozialschutz kommt in Verbindung mit anderen Instrumenten eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und der Förderung der sozialen Eingliederung zu. Die Sozialschutzsysteme müssen

  • aus Leistungen zur Mindestsicherung und ergänzenden Maßnahmen bestehende wirksame Sicherheitsnetze sein;
  • den Akzent auf die Prävention legen. Aktive Maßnahmen sind zu treffen und Anreize und Wege zur (Wieder)-Eingliederung in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft müssen geschaffen werden;
  • einen Beitrag zu einem umfassenden, integrierten Ansatz zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung leisten, bei dem alle relevanten Strategien und Akteure einbezogen werden.

Eine hohen Qualitätsansprüchen genügende und langfristig finanzierbare Gesundheitsversorgung sichern

Jeder sollte aus der Politik zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung Nutzen ziehen können. Die Nachfrage nach Leistungen der Gesundheitsversorgungssysteme steigt und wird weiter steigen, weil der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung größer wird. Immer neue Innovationen der medizinischen Technik können von großem Nutzen sein, führen jedoch auch zu höheren Kosten. Es ist daher wichtig,

  • zur Verbesserung der Effizienz und Effektivität der Gesundheitsversorgungssysteme im Rahmen der verfügbaren Mittel beizutragen;
  • den Zugang aller zu einer hohen Qualitätsansprüchen genügenden Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und Ungleichheiten bei der Gesundheitsfürsorge zu verringern;
  • die langfristige Pflege gebrechlicher alter Menschen in stärkerem Maße zu unterstützen;
  • als beste Möglichkeit zur Bewältigung von Gesundheitsproblemen, zur Senkung der Kosten und zur Förderung eines gesünderen Lebensstils das Schwergewicht auf Krankheitsverhütung und Gesundheitsschutz zu legen.

Eine engere Zusammenarbeit fördern

Die Kommission möchte, dass der Rat einen Rahmen für eine engere Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sozialschutzes billigt, die auf einem Austausch von Erfahrungen, auf einer gegenseitigen Abstimmung sowie der Bewertung der aktuellen Entwicklungen im Hinblick auf die Ausarbeitung vorbildlicher Verfahren beruht.

Jeder Mitgliedstaat wird dazu zudem aufgefordert, einen hochrangigen Beamten zu benennen, der eine zentrale Rolle bei der Zusammentragung und dem Austausch von Informationen spielen soll. In regelmäßigen Abständen wird die Kommission Sitzungen dieser Beamten einberufen, auf denen die erreichten Fortschritte analysiert und bewertet werden können.

Follow-up und Umsetzung der Strategie

Um die Mitgliedstaaten in diesem Prozess zu unterstützen und die politischen Entwicklungen zu beobachten, wird die Kommission ihren Bericht über den Sozialschutz jedes Jahr und nicht mehr wie bisher alle zwei Jahre annehmen. Der Bericht wird in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten erstellt und wird die Hauptziele enthalten, die der Rat im Rahmen der konzertierten Strategie annehmen soll. Bei der Erstellung des Berichts werden die Beiträge der Mitgliedstaaten zugrunde gelegt und die wichtigsten politischen Entwicklungen angeführt. Die Kommission wird den Rat ersuchen, den Jahresbericht über den Sozialschutz in Verbindung mit dem gemeinsamen Bericht zur Beschäftigung zu prüfen.

Die Kommission fordert die übrigen Organe der Gemeinschaft, insbesondere das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen sowie die Sozialpartner, die Nichtregierungsorganisationen und die Sozialversicherungsträger auf, einen Beitrag zu diesem Prozess zu leisten.

Seit einiger Zeit fördert die EU eine engere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Modernisierung der Sozialschutzsysteme. Diese Zusammenarbeit schlägt sich hauptsächlich nieder in der:

Diese Modernisierung wurde auch im Bereich Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege mit der Zielsetzung, dass Arbeit sich lohnen soll, eingeleitet. Die Beschäftigungsfähigkeit soll verbessert und ein hohes Maß an Sozialschutz für alle gewährleistet werden. Das MISSOC (gegenseitiges Informationssystem über den sozialen Schutz) ist außerdem zu einer wesentlichen Quelle von Informationen über den Stand des sozialen Schutzes in Europa geworden. Dank der Aktualisierung vergleichender Tabellen und spezifischer Info-Bulletins kann die Modernisierung des Sozialschutzes weiterentwickelt werden.

VERWANDTE RECHTSAKTE

Bericht der Kommission (2004). Die soziale Lage in der Europäischen Union [nicht im Amtsblatt veröffentlicht] (pdf )

Bericht der Kommission (2003). Die soziale Lage in der Europäischen Union [nicht im Amtsblatt veröffentlicht] (pdf )

Bericht der Kommission (2002). Die soziale Lage in der Europäischen Union [nicht im Amtsblatt veröffentlicht] (pdf )

Bericht der Kommission (2001). Die soziale Lage in der Europäischen Union [nicht im Amtsblatt veröffentlicht] (pdf )

Bericht der Kommission (2000). Die soziale Lage in der Europäischen Union [nicht im Amtsblatt veröffentlicht] (pdf )

Letzte Änderung: 04.03.2008

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