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Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse

Das Grünbuch soll eine offene Diskussion einleiten über die Rolle der Europäischen Union bei der Förderung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, bei der Definition der mit diesen Dienstleistungen angestrebten Ziele und über die Art und Weise, wie sie organisiert, finanziert und bewertet werden.

RECHTSAKT

Grünbuch der Kommission vom 21. Mai 2003 zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse [KOM(2003) 270 endg. - Amtsblatt C 76 vom 25.3.2004].

ZUSAMMENFASSUNG

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse stehen im Zentrum der politischen Diskussion. Sie berühren die zentrale Frage, welche Rolle in einer Marktwirtschaft staatlichen Stellen zukommt, da sie einerseits das reibungslose Funktionieren des Marktes und die Einhaltung der Spielregeln durch alle Akteure sicherstellen und andererseits das öffentliche Interesse gewährleisten, insbesondere die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger und Erhaltung von Kollektivgütern in Fällen, in denen der Markt dazu nicht in der Lage ist.

Die Realität der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in der Europäischen Union ist komplex und in ständiger Entwicklung begriffen. Sie umfasst:

  • ein breites Spektrum von Aktivitäten , von den großen netzgebundenen Branchen (Energie, Postdienste, Verkehr und Telekommunikation) bis zu den Bereichen Gesundheit, Bildung und Sozialleistungen;
  • Wirkungsfelder von sehr unterschiedlicher Größe, die von der lokalen bis zur europäischen oder sogar zur globalen Ebene reichen können;
  • Dienstleistungen unterschiedlicher Art: einige sind marktbezogen, andere nicht;
  • Organisationsformen, die sich aufgrund der kulturellen Traditionen, der Geschichte und der geographischen Verhältnisse der einzelnen Mitgliedstaaten und nach den besonderen Merkmalen der betreffenden Tätigkeit unterscheiden.

Angesichts dieser Vielschichtigkeit eröffnet die Kommission eine Debatte über die Rolle der Europäischen Union bei der Festlegung der mit diesen Dienstleistungen angestrebten Ziele von allgemeinem Interesse und über die Organisation, Finanzierung und Bewertung dieser Leistungen. Gleichzeitig bekräftigt sie den signifikanten Beitrag des Binnenmarkts und der Wettbewerbsregeln zur Verbesserung zahlreicher öffentlicher Dienstleistungen in Bezug auf Qualität und Effizienz zum Wohle der Bürger und der Unternehmen. Das Grünbuch berücksichtigt ferner die Globalisierung und Liberalisierung und wirft auch die Frage auf, ob ein juristischer Gesamtrahmen auf Gemeinschaftsebene für die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse geschaffen werden soll.

In ihrem Bestreben, die Politik im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse von Grund auf zu überprüfen, wirft die Kommission Fragen zu folgenden Sachthemen auf:

  • Umfang möglicher Maßnahmen der Gemeinschaft bei Dienstleistungen von allgemeinem Interesse bei Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips
  • das Gemeinschaftskonzept der Dienstleistung von allgemeinem Interesse
  • die Definition verantwortungsvollen Regierens bezogen auf Organisation, Regulierung, Finanzierung und Bewertung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen und einen effizienten und fairen Zugang zu den Dienstleistungen zu gewährleisten
  • Maßnahmen zur Koordinierung weiterhin hochwertiger Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und der strikten Anwendung der Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften.

Kontext

Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gehören zu den von allen europäischen Gesellschaften geteilten Werten und sind ein wesentlicher Teil des europäischen Gesellschaftsmodells. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Lebensqualität aller Bürger und beim Kampf gegen die soziale Ausgrenzung und Isolierung.

Die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind in drei Vertragsnormen erwähnt:

  • Nach Artikel 16 EG-Vertrag obliegt es der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Politik es den Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ermöglicht, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können. In diesem Artikel ist der Grundsatz genannt, er bietet der Gemeinschaft jedoch keine spezielle Handhabe.
  • Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag räumt den Mitgliedstaaten implizit das Recht ein, den Unternehmen bestimmte Gemeinwohlverpflichtungen aufzuerlegen. In diesem Artikel ist ein Grundsatz verankert, der die Bereitstellung und den Ausbau von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Binnenmarkt sicherstellt. Die Unternehmen, die solche Dienstleistungen erbringen, sind nur dann von der Einhaltung der im Vertrag verankerten Regeln befreit, wenn diese Ausnahme unbedingt erforderlich ist, damit sie die ihnen übertragene Aufgabe im allgemeinem Interesse erfüllen können. Demnach kann in Streitfällen die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe über die Einhaltung der Gemeinschaftsregeln gestellt werden, auch der Regeln für den Binnenmarkt und den Wettbewerb.
  • Artikel 36 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EN) (FR), wonach die Union den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse anerkennt und achtet, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.

Seit der zweiten Hälfte der 80iger Jahre haben sich mehrere Sektoren, die vorwiegend oder auch Leistungen von allgemeinem Interesse erbringen, schrittweise dem Wettbewerb geöffnet [z. B.: Telekommunikation, Postdienste, Verkehr und Energie (Elektrizität und Gas)].

Die Europäische Gemeinschaft hat sich stets für eine „kontrollierte" Liberalisierung eingesetzt, d. h. für eine schrittweise Öffnung des Marktes, flankiert von Maßnahmen zum Schutz des Gemeinwohls; hierbei soll insbesondere das Universaldienstkonzept den Zugang aller zubestimmten hochwertigen Dienstleistungen gewährleisten, und zwar zu einem erschwinglichen Preis, unabhängig von der wirtschaftlichen, sozialen oder geographischen Lage.

Die Kommission hat sich wiederholt um eine Erläuterung der Gemeinschaftspolitik auf diesem Gebiet bemüht:

VERWANDTE RECHTSAKTE

Mitteilung der Kommission vom 12. Mai 2004 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse" [KOM(2004) 374 endgültig - noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht]. Die Kommission nennt einige Ausrichtungen bezüglich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, um eine kohärente Politik auf diesem Gebiet zu gewährleisten. Vorausgegangen ist diesem Weißbuch eine umfassende öffentliche Anhörung, die durch das Grünbuch über die Rolle der Europäische Union bei der Bereitstellung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eingeleitet worden war. Darin wird es insbesondere als nicht sinnvoll erachtet, gegenwärtig eine Rahmenrichtlinie auf diesem Gebiet vorzuschlagen, und vorgeschlagen, dass die Kommission sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut mit dem Thema befasst

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. Januar 2004 zum Grünbuch über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse [A5-0484/2003].

Das Parlament begrüßt die Initiative der Kommission zur Vorlage des Grünbuchs und fordert die Kommission auf, bis spätestens April 2004 ein Folgedokument vorzulegen. Es vertritt die Ansicht, dass bestimmte Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wie Gesundheit und Bildung, Sozialwohnungen sowie die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zum Erhalt und zur Steigerung von Informationsvielfalt und kultureller Vielfalt nicht in den Anwendungsbereich des EU-Wettbewerbsrechts fallen sollten. Das Parlament fordert die Kommission auf, diesen Standpunkt im Rahmen von WTO- und GATS-Verhandlungen zu verteidigen. Es vertritt die Auffassung, dass es weder möglich noch sinnvoll ist, gemeinsame Definitionen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und daraus ableitbare Gemeinwohlverpflichtungen auszuarbeiten, sondern dass die Union gemeinsame Grundsätze festlegen muss, die u. a. Universalität und gleiche Zugangsmöglichkeiten, Kontinuität, Sicherheit und Anpassungsfähigkeit, Qualität, Wirksamkeit und Erschwinglichkeit, Transparenz, den Schutz schlechter gestellter Gesellschaftsgruppen, den Schutz der Nutzer, der Verbraucher und der Umwelt sowie die Beteiligung der Bürger einschließen, wobei sektorspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Das Parlament betont darüber hinaus, dass die Wettbewerbsbestimmungen mit den Gemeinwohlverpflichtungen vereinbar sein müssen, und spricht sich klar und deutlich gegen die Liberalisierung der Wasserversorgung aus. Das Parlament vertritt die Auffassung, dass Dienstleistungen der Wasser- und Abfallwirtschaft keinen sektoralen EU-Richtlinien unterliegen sollten, betont jedoch, dass die Union die volle Zuständigkeit für diese Sektoren hinsichtlich der Qualität und der Umweltschutzstandards behalten sollte.

Letzte Änderung: 18.02.2008

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